3sat: Kulturzeit. Kunst wäscht weißer
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Der Bundesgerichtshof hat die Klage eines Erben zurückgewiesen, dessen Vater wegen der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte durch diverse Presseartikel auf Schadenersatz geklagt hatte. Die Klage des Vaters ging bei Gericht per Fax einen Tag vor seinem Ableben ein, wurde der Beklagten aber erst einige Wochen später zugestellt.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes steht bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung wegen einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung der Genugtuungsgedanke im Vordergrund. Genugtuung kann aber nicht mehr erfolgen, wenn der Geschädigte verstirbt, bevor die Entschädigung gezahlt wird. Deshalb besteht der Anspruch über den Tod des Verletzten hinaus im Allgemeinen nicht fort. Ob anderes gilt, wenn der Verletzte erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Geldentschädigungsanspruchs verstirbt, hat das Gericht allerdings offen gelassen. BGH, Urt. v. 29. 4. 2014 – VI ZR 246/12 Bei älteren Grundstücksbelastungen durch Dienstbarkeiten ist oft zu beobachten, dass sie dem Berechtigten aufgrund veränderter Umstände keinerlei Vorteil mehr bieten. Im zu entscheidenden Fall war ein 1931 bestelltes Fahr-, Geh- und Viehtriebsrecht dadurch gegenstandslos geworden, dass die Erschließung des begünstigten Grundstücks mittlerweile über ein hinzuerworbenes Grundstück des Berechtigten erfolgt und die auf dem begünstigten Grundstück betriebene Landwirtschaft aufgegeben worden war. In diesem und vergleichbaren Fällen hat der Eigentümer des belasteten Grundstücks ein berechtigtes Interesse daran, die Belastung aus dem Grundbuch zu bekommen. Das Gesetz billigt dem Grundstückseigentümer deshalb einen Löschungsanspruch gegen den Berechtigten zu (§§ 894, 1019, 1090 BGB). Prozessual ergibt sich für den Grundstückseigentümer daraus allerdings das Problem, dass er den Vorteil des Berechtigten, um seine Löschungsklage schlüssig begründen zu können, als wertlos darlegen muss. Verliert der Eigentümer in erster Instanz und will er in Berufung gehen, hat er dementsprechend schon Schwierigkeiten, die erforderliche Berufungssumme von über 600 Euro glaubhaft zu machen (§ 511 Abs. 2 und 3 ZPO). Dieses Dilemma hat das Landgericht im Fall dazu genutzt, die Berufung des Grundstückseigentümers als unzulässig zu verwerfen: Wenn der Berechtigte das belastete Grundstück nicht mehr benötige und nutze, liege dessen Wertbeeinträchtigung unter der Berufungssumme. Der Bundesgerichtshof hat die Argumentation des Landgerichts nicht akzeptiert. Für die Ermittlung des Wertverlusts sei der Wert des Grundstücks mit der Dienstbarkeit mit demjenigen ohne die Dienstbarkeit zu vergleichen. Dabei komme es nicht allein darauf an, ob der Berechtigte die Dienstbarkeit aktuell noch ausübe. Vielmehr müsse in die Bewertung auch einbezogen werden, dass die Dienstbarkeit auch zukünftig die Benutzung des belasteten Grundstücks ermögliche, sei es durch den Berechtigten oder im Fall einer Grunddienstbarkeit auch durch dessen Rechtsnachfolger.
BGH Beschluss vom 12. September 2013 – V ZB 1/13 er klicken .Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob eine Klausel in den Versteigerungsbedingungen eines Auktionshauses wirksam ist, die eine Haftung des Auktionshauses für Sachmängel weitgehend ausschließt.
Der Kläger hatte eine Skulptur erworben, deren Unechtheit sich nach dem Auktionserwerb herausstellte. Das Auktionshaus hatte in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen Haftungsausschluß wie folgt vorgesehen: "Gewährleistung, Haftung a) Der Käufer kann gegen das Auktionshaus keine Einwendungen oder Ansprüche wegen Sachmängeln erheben. […] b) Die Haftung des Auktionshauses auf Schadensersatz für Vermögensschäden, gleich aus welchem Rechtsgrund, ist ausgeschlossen, es sei denn, dem Auktionshaus fiele Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last…" Der BGH hält diesen Gewährleistungsausschluß wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB für unwirksam, da in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders beruhen, nicht zulässig ist. Die fragliche Klausel bezieht jedoch bereits nach ihrem Wortlaut auch solche Ansprüche des Käufers gegen den Versteigerer aus Mängeln der ersteigerten Gegenstände unzulässig in ihren Geltungsbereich ein. BGH Urteil vom 9. Oktober 2013 - VIII ZR 224/12 Es war ein Ärgernis in den letzten Jahren und wohl jeder Rechtsanwalt hatte bereits einen verzweifelten Mandanten, der Adressat einer sogenannten Massenabmahnungen geworden war. Nach den statistischen Erhebungen des Vereins gegen den Abmahnwahn e. V. im Jahr 2011 sind über 218 000 Abmahnungen mit einem Gesamtforderungsvolumen von über 165 Millionen Euro versandt worden bei einer durchschnittlichen Zählerquote von knapp 40 Prozent.
Der Gesetzgeber hat nun reagiert und das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken verabschiedet. Künftig kostet eine Abmahnung in der Regel knapp 148 Euro, nach dem Urheberrechtsgesetz werden die Anwaltskosten bei bestimmten Urheberrechtsstreitsachen mit klar bestimmbaren Tatbestandsmerkmalen auf Gebühren nach einem Gegenstandswert von 1000 Euro begrenzt wird. Außerdem können Verbraucher künftig nicht mehr an einem beliebigen Gericht verklagt werden, sondern nur noch am eigenene Wohnsitz. Außerdem wird, ebenso wie für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen, durch Einführung eines Gegenanspruchs die Position des Abgemahnten gegenüber einem unberechtigt oder unwirksam Abmahnenden gestärkt. ![]()
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Der Deutsche Museumsbund e.V., die bundesweite Interessensvertretung der deutschen Museen und ihrer Mitarbeiter, hat jetzt in Berlin die Online-Publikation „Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten in Museen und Sammlungen“ vorgestellt. Die Publikation soll den für die Sammlungen direkt Verantwortlichen wie auch den Trägern der Einrichtungen dienen - sowohl als Handreichung im täglichen Umgang mit menschlichen Überresten, auch solchen außereuropäischer Herkunft, als auch bei Fragen zu Rückgabeforderungen.
Die „Empfehlungen“ stehen in der Tradition der Leitfäden des DeutschenMuseumsbundes, von denen bislang neun veröffentlicht wurden, u.a. zu Themen wieVermittlungsarbeit, Volontariat, Dokumentation und nachhaltiges Sammeln. Die„Empfehlungen“ können in deutscher und englischer Sprache auf der Website desDeutschen Museumsbunds unter www.museumsbund.de heruntergeladen werden. Hierfinden sich außerdem viele weitere Informationen und Dokumente zum Thema. Die Erarbeitung der Online-Publikation wurde unterstützt durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Die englische Übersetzung wurde ermöglicht durch den Übersetzungsdienst des Auswärtigen Amtes. Die „Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten in Museen und Sammlungen“ wurden seit Sommer 2011 von Wissenschaftlern einer interdisziplinären Arbeitsgruppe des Deutschen Museumsbundes unter der Leitung von Prof. Dr. Wiebke Ahrndt, Vizepräsidentin des Deutschen Museumsbunds und Direktorin des Übersee- Museums in Bremen, erarbeitet. Der Arbeitsgruppe gehörten Ethnologen, Archäologen, Anthropologen, Medizinhistoriker, Kulturwissenschaftler, Juristen und Ethiker an. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe stehen zukünftig bei weiteren fachlichen Fragen als Ansprechpartner zur Verfügung. Sie können Möglichkeiten der Konfliktlösung aufzeigen, werden jedoch keine Entscheidungen treffen oder als Ethik-Kommission auftreten. „Angesichts der komplexen und sensiblen Thematik gibt es keine Patentlösungen“, betonte der Präsident des Deutschen Museumsbundes, Dr. Volker Rodekamp, bei der Vorstellung in Berlin. „Wir befinden uns am Anfang der Diskussion, nicht an ihrem Ende. Wünschenswert ist, dass jedes betroffene Museum eigene Richtlinien zum Umgang mit menschlichen Überresten erarbeitet. Dafür kann unsere Publikation die Basis bieten“. Bewusst wird in den Empfehlungen der Ausdruck menschliche Überreste anstelle des inzwischen eher gebräuchlichen englischen Begriffs human remains verwendet. „Der deutsche Ausdruck, der uns aus der Formulierung sterbliche Überreste vertraut ist, führt uns deutlich vor Augen, wovon hier in der Regel die Rede ist: von verstorbenen Menschen. Anders als der Distanz schaffende englische Begriff berührt uns der Ausdruck menschliche Überreste emotional. Das ist auch beabsichtigt, denn dies trägt zu einer Sensibilisierung bei“, so Prof. Dr. Wiebke Ahrndt, Leiterin der Arbeitsgruppe und Vizepräsidentin des Deutschen Museumsbundes. In vielen Museen und Sammlungen werden menschliche Überreste aus der ganzen Welt bewahrt. Dabei sind die Sammlungsbestände sehr heterogen: Skelette und Skelettteile sind Bestandteile vieler archäologischer Sammlungen, werden aber auch in anthropologischen Sammlungen bewahrt. Medizinhistorische sowie Universitätssammlungen beherbergen meist anatomisch-pathologische Präparate menschlicher Körper. Vor allem in ethnologischen Museen/Sammlungen finden sich in unterschiedlicher Weise bearbeitete menschliche Überreste wie Schrumpfköpfe, tatauierte Köpfe, Skalp- Locken, Mumien oder Knochenflöten. Zu nennen sind auch (Ritual-) Gegenstände, in die menschliche Überreste, wie beispielsweise Haare, Knochen oder Zähne eingearbeitet sind. Der Aufbau der Publikation trägt der Komplexität der Sammlungsbestände und den damit verbundenen Fragestellungen Rechnung. Den eigentlichen Handlungsempfehlungen in Kapitel 4 der Publikation sind sowohl Adressaten und Begriffe (Kapitel 2) als auch fünf Hintergrundbeiträge (Kapitel 3) vorangestellt. Die Beiträge der physischen Anthropologie, der Ethnologie und der Rechtswissenschaften geben einen Überblick über die jeweils relevanten Fragestellungen. Der letztgenannte Beitrag beschäftigt sich ausführlich mit Rückgabefragen. Er kann deshalb auch als Hilfestellung bei der juristischen Bewertung von Rückgabeforderungen dienen. Umrahmt werden diese drei Hintergrundbeiträge von einem Überblick über die Geschichte der Sammlungen und von einem Beitrag zu ethischen Grundsätzen. Dabei macht besonders die Beschäftigung mit den juristischen Fragestellungen deutlich, dass allein aus rechtlicher Sicht keine zufriedenstellenden Antworten insbesondere im Zusammenhang mit Rückgabeforderungen gegeben werden können. Vielmehr sind es häufig Fragen der Ethik, die im Umgang mit menschlichen Überresten und mit den Nachfahren bedeutsam sind. Relevante Fragen zum Umgang mit menschlichen Überresten werden in Kapitel 4 entlang der vier Hauptaufgaben eines Museums - Sammeln, Bewahren, Forschen, Vermitteln - bearbeitet. Aufgrund zunehmend auftretender Forderungen werden zudem Aspekte zur Rückgabe behandelt. Die Empfehlungen sollen Entscheidungen für einen verantwortungsvollen Umgang mit menschlichen Überresten in der Museums- und Sammlungsarbeit erleichtern. „Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten in Museen und Sammlungen“, Deutscher Museumsbund e.V. (Hrsg.), Berlin 2013 Download unter: www.museumsbund.de Arbeitsgruppe Human Remains im Auftrag des Vorstandes des Deutschen Museumsbundes: Wiebke Ahrndt, Claus Deimel, Michael Geißdorf, Christian Lenk, Susanne Roeßiger, Wilfried Rosendahl, Anja Schaluschke, Markus Schindlbeck, Thomas Schnalke, Carola Thielecke, Claudia von Selle, Anne Wesche, Ursula Wittwer-Backofen Gefördert vom Beauftragen der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages Englische Übersetzung: Übersetzungsdienst des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland Kontakt für Medienvertreter: Anja Schaluschke Deutscher Museumsbund e.V. 030/84 10 95 17 E-Mail: office@museumsbund.de Menschliche Überreste in deutschen Museen - rechtliche Freiräume, moralische Ansprüche - KUR 5/201224/2/2013 Bereits seit einigen Jahren beschäftigt nicht nur deutsche, sondern vor allem auch britische und französische, Museen die Frage, wie mit Anträgen vorrangig aus Australien und Afrika umgegangen werden soll, die hauptsächlich Schädel und Knochen ihrer Vorfahren zurückführen möchten, die meistens Ende des 19./Beginn des 20. Jahrhunderts auf zum Teil höchstkritische Weise nach Europa gelangten, um dem hiesige Wissenschaftsinteresse zu dienen. Rechtlich gilt es jetzt Pionierarbeit zu leisten, denn international verbindliche Regelungen gibt es hierzu so gut wie keine. Wohl auch deshalb ist der Diskurs der Beteiligten bislang noch stark politisch und emotional dominiert. Umso drängender stellen sich Grundsatzfragen der Moral. Die Veröffentlichung unseres Artikels auf dieser website erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift für Kunst und Recht. ![]()
Das Restitutionsrecht bleibt spannend: Erneut hatte der Bundesgerichtshof zur Frage des Ausschlusses des Zivilrechts bei anwendbarem Vermögensgesetz zu entscheiden (siehe hierzu blog vom 19.03.2012 auf dieser website zur Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Hans-Sachs-Posterkollektion). Erneut hat der Bundesgerichtshof einem Rückgabebegehren nach zivilrechtlichen Regeln statt gegeben. Erneut verbietet sich hieraus jede Verallgemeinerung.
Die 1791 gegründete Sing-Akademie fordert seit Jahren das Gebäude des Maxim-Gorki Theaters zurück, das duch die DDR rechtswidrig entzogen worden sei. Entschlossen und wach beschritt die Sing-Akademie hierfür nicht nur den Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten nach dem Vermögens-gesetz, sondern gleichzeitig vor den Zivilgerichten mit einer sogenannten Grundbuchberichti-gungsklage gegen das bis dato eingetragene Land Berlin. Während die Klage nach öffentlichem Recht vor dem Bundesverwaltungsgericht noch anhängig ist, war der Bundesgerichtshof schneller mit seiner Entscheidung. Zwar wird ein zivilrechtlicher Anspruch wie der Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB grundsätzlich vom Vermögensgesetz verdrängt, wenn eine Enteignung durch die sowjetische Besatzungsmacht oder durch eine Behörde der DDR vorliegt. Der Bundesgerichtshof vertritt jedoch die Auffassung, dass die Sing-Akademie aufgrund der besonderen Umstände des Falles weder durch die sowjetische Besatzungsmacht, noch durch die Behörden der DDR enteignet worden sei. Weder die zunächst erfolgte Beschlagnahme durch die sowjetische Besatzungsmacht, noch die spätere Übergabe der Verwaltung der Sing-Akademie an die Behörden der DDR, noch deren Buchung als Eigentum des Volkes 1961 seien als Enteignungsmaßnahmen zu werten. BGH-Urteil vom 7. Dezember 2012 – V ZR 180/11, ![]() Herzliche Einladung zur Katalogpräsentation Ulrike Lauber Fotografie 2008 - 2011 Sonnabend, 1. Dezember 2012, von 15-18 Uhr. Galerie Mönch Berlin Stiftung für Bildhauerei Reichsstraße 52 D-14052 Berlin Mit Punsch und mit musikalischer Begleitung von Jennifer van der Wall Im Kabinett der Galerie Mönch: Walther Grunwald "Menschenblicke" Ausstellung bis 22. Dezember 2012 Nebenan zeigt die Stiftung für Bildhauerei Rainer Meißle Fotografien "Skulpturengarten Damnatz" ![]() Es war eine wichtige Veranstaltung zum richtigen Zeitpunkt. Aus Anlaß des Besuchs der Kollegen der Rechtsanwaltskammer Tel Aviv hatte die Rechtsanwaltskammer Berlin heute abend zu einem Gespräch mit dem ehemaligen Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichtes Prof. Dr. Ernst G. Mahrenholz und dem Richter am Obersten Gerichtshof Israels Neal Hendel eingeladen. Thema der Veranstaltung war die Verfassungs-gerichtsbarkeit beider Länder. Die Wahl des Ortes war ungewöhnlich für die Berliner Rechtsanwaltskammer und ich konnte mir bei meiner Ankunft ein Schmunzeln nicht verkneifen bei dem Gedanken, über den Dächern von Berlin und wenige Etagen unter dem Casino in der 37. Etage im Hotel Park Inn auf dem Alexanderplatz über die Urteilsfindung deutscher und israelischer Verfassungshüter zu räsonieren. Die Leichtigkeit der Ankunft machte allerdings schnell der Nachdenklichkeit Platz ob der Befangenheit der Anwesenden im Umgang miteinander, die trotz des sichtbaren Interesses und Respektes füreinander und dem offensichtlichen Willen, die Tagespolitik außen vor zu lassen, im Raume stand. Anekdotenreich haben beide Gesprächspartner die Fragen nach der Zusammensetzung und Wirkungsweise ihrer jeweiligen Verfassungsgerichte beantwortet. Politisch korrekt haben beide die wachsende Frauenquote gelobt. Politisch ebenfalls korrekt drückte Richter Hendel seine Achtung vor dem Gewicht der Menschenwürde im deutschen Recht aus und Richter Mahrenholz seine Freude über die Leidenschaft der isralisch-jüdischen Kollegen, mit der sie sich juristischen Fragen und Verfahren widmen können. Während Prof. Mahrenholz den hohen Professorenanteil (!) am deutschen Verfassungsgericht beklagte, zeigte sich Richter Hendel zufrieden mit der Zusammensetzung des israelischen Obersten Gerichtshofes, dem ehemalige Staatsanwälte ebenso angehören, wie Rechtsanwälte, Ministerialbeamte und eben Richter. So verwunderte auch nicht, dass Richter Hendel das Rechtswesen nicht als Wissenschaft, sondern als einen ständigen Entwicklungsprozeß auffasst, der sich geradezu mustermäßig in der eher evolutionären Verfassungsrechtsgeschichte Isaels widerspiegelt. Eine politische Funktion ihrer Gerichte wiesen beide Richter mit Nachdruck zurück, denn, so Hendel, die Richter hätten eine erzieherische und keine politische Aufgabe in der Gesellschaft zu erfüllen. Deshalb seien allein juristische Kriterien für sie ausschlaggebend, ergänzte Prof. Mahrenholz. Leider schlug am Ende dann doch noch die zu befürchtende, weil verbreitete, deutsche Weltfremdheit bei der Frage an Richter Hendel durch, ob denn eine arabische Familie, deren Haus entlang des Mauerstreifens stünde und durch die Armee beschädigt würde, auch Klage vor dem Obersten Gerichtshof einreichen könne. Während die israelischen Zuhörer ungläubig erst an ihren Übersetzungsgeräten rüttelten und dann nur die Köpfe schüttelten, antwortete Richter Hendel nachsichtig, dass diese Familien wohl vor allem froh seien, wenn nicht mehr passieren würde. Sogar die klagefreudigen und in Israel auch klageberechtigten Nichtregierungsorganisationen würden in verschärften Kriegszeiten wie diesen derzeit kaum Anträge einreichen. In der täglichen Realität seiner Fälle hat Richter Hendel nicht über die Frage zu entscheiden, ob Schießen erlaubt, sondern ob es verhältnismäßig ist. Sehr ernst verabschiedete Richter Hendel daher auch die Zuhörer mit seinem Resümee: "Wir haben so viele kleine Fälle mit so vielen großen Fragen zu entscheiden." Es war irgendwie und ausnahmsweise einmal beruhigend, dass während dieser Sätze einige israelische Kollegen unentwegt auf ihren Handys spielten. |
AuthorClaudia von Selle CategoriesArchiv
July 2014
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